Wenn dein Glaube ein Kleidungsstück wäre, was wäre er dann?

Mein Glaube wäre glaube ich wie mein alter Wollpullover. Richtig ausgeleiert ist er, eigentlich pass ich da zweimal rein. Er hält mich warm. Und wir haben schon ganz schön was zusammen durchgemacht. Wie ich mit meinem Glauben auch. Beide sind mir sehr lieb. Obwohl sie für manche eher oll‘ und abgetragen aussehen. Aber ich weiß, was ich an ihnen habe. Ich würde sie nicht tauschen wollen.

Manchmal ist mein Glaube auch wie das Kleid, das das kleine Mädchen beim Taufgespräch trägt. Leuchtend gelb ist es, wie der Sommer. Sie dreht sich auf Zehenspitzen im Kreis. „Guck mal, was ich kann“, ruft sie dabei laut und wirbelt immer schneller und schneller. Mir ist, als könnte sie fliegen. Manchmal ist mein Glaube auch so. Nach einem schönen Gottesdienst oder einem guten Gespräch. Wenn ich draußen bin und staune über die Schönheit von allem. Dann macht er mich federleicht, dass ich das Gefühl hab, ich kann fliegen.

Ich denke aber auch: Nicht alle Glaubenskleider passen uns gut. Manche haben als Kinder einen Glauben angezogen bekommen, der sehr eng ist. Wie ein Korsett, das einem die Luft abschnürt. Ein Glaube, der keine Fragen zulässt oder sogar Angst machen kann. Und das ist dann gar nicht so leicht, eine Schnur nach der anderen zu lockern. Den Halt nicht zu verlieren und trotzdem endlich tief Luft holen zu können. Das Gefühl zu bekommen: Mein Glaube passt mir. Ich kann gut mit ihm leben.

Wenn dein Glaube ein Kleidungsstück wäre, was wäre er? Und warum?

Im Epheserbrief 4,24 heißt es: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“. Als würde uns jemand ein Glaubensgewand gewebt aus Heiligkeit und Gerechtigkeit hinhalten und sagen: „Probier doch das mal an.“ Und ich denke: Ne, das passt nicht zu mir. Mir ist das zu fein. Ich bin keine Heilige. Ich glaube, wir Christen sind alle keine Heiligen. Ich find es wichtig, dass Gott allein heilig ist. Und dass wir ernst nehmen, dass wir Menschen nicht denken, wir wären wie Gott. Denn dann kommt da meistens nichts Gutes bei raus, sondern Überheblichkeit und Arroganz und Machtmissbrauch.

„Ne lass mal, dieses heilige Kleid, das ist nichts für mich.“, sage ich. Aber der Verfasser des Briefes lässt nicht locker. Er sagt: „Du hattest das doch schon mal an.“

Ich schau genauer hin und merke: Stimmt, das kommt mir bekannt vor. Ich kenn das von einem Foto, einem Gruppenbild in einer Kirche, auf dem alle Kordhosen tragen und riesige Brillen. Und in der Mitte da bin ich, auf dem Arm meiner Eltern. Und ich hab selbst dieses Kleid an.

Mein Taufkleid. Weiß, als wäre es gewebt aus Heiligkeit und Gerechtigkeit. Ich glaube nicht, dass ich da heiliger war, als jetzt. Dass da nicht schon klar war, dass ich auch mal lügen würde oder Vertrauen verletzen. Und trotzdem finde ich es in dem Moment gar nicht unpassend, sondern genau richtig.

Denn für diesen einen Moment der Taufe ist so deutlich: Mein Wert liegt nicht darin, was ich schon erreicht habe. Wie heilig mein Alltag ist. Wie oft ich es schaffe, zu verzeihen oder zu teilen oder alles richtig zu machen. Nein. Wir kommen von Gott und wir kehren zu ihm zurück. Er ist unser Ursprung und unser Ziel. Nichts und niemand kann uns von ihm und seiner Liebe trennen. Und das ist es, was uns heilig macht. Gott heiligt uns.

Damit schau ich noch mal neu auf die Kleider meines Glaubens. Denn vielleicht meint der Vers aus dem Epheserbrief ja das: Jeden Morgen ein unsichtbares Taufkleid überzustreifen. Über unseren Wollpullover oder die Kordhose. Und dann zu wissen: Ich bin nicht festgelegt, auf das was war. Das Kleid erinnert mich, dass alles möglich ist. Dies ist ein neuer Tag, eine neue Chance. Gott traut mir zu, etwas gutes aus diesem Tag zu machen: Zu Vergeben. Gutes zu sagen, was aufbaut und dem Frieden dient. Mir das „Hab ich doch gleich gesagt“ zu verkneifen. Um Verzeihung zu bitten.

Dieser Morgen ist eine neue Chance, anzufangen – und zwar bei mir selbst. Und mit meinem Gott. Was für ein Geschenk!

„Mit deiner Gnade steh ich auf,

vergnügt, erlöst, befreit.

Mit ihr blüht meine Seele auf –

sie trägt mich durch die Zeit.“ 

(Hanns Dieter Hüsch/Fritz Baltruweit)

 

 

Seien Sie gesegnet und bleiben Sie behütet!

 

Fotos: Olga Kozachenko und Madison Nickel (alle Unsplash)


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